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Reduce! Z.B. mit X-fix

Ressourcenschonender Holzbau

Kürzlich bot sich mir eine E-Mail-Unterhaltung mit einer geschätzten Person der Zement-/ Beton-Branche. Ich erlaubte mir die Frage, wie denn hierzulande – analog zur Debatte in Deutschland – die Roadmap zur Dekarbonisierung von Beton¹ aussehe?

Prompt donnerte mir ein Gewitter entgegen, dass jährlich 100.000 Quadratkilometer Wald verloren gingen ², dass Waldrodung und damit verbundene Brandrodung zwischen 15–18 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen ausmachten³, dass Holzleim zwischen 4- bis 5-mal mehr CO₂/t freisetze als Zement, ... Ich hatte Holz nicht erwähnt. Es ging nicht um ein Beton-Bashing. Im Gegenteil:::

Jede Branche, jedes Unternehmen, jeder Einzelne ist gefordert, einen Beitrag zur Erholung dieses vom Menschen geplagten Planeten zu leisten.

Es gilt allem voran, den Ressourcenverbrauch zu drosseln, somit auch Emissionen. Davon kann sich die Holzindustrie nicht ausnehmen. Beim Brettsperrholz (BSP) ist ein Einsparungspotenzial von etwa 10% branchenbekannt. So viel machen in Summe die Ausschnitte für Fenster und Türen aus. Bei zirka 600.000 Kubikmeter BSP, wie es jährlich in Österreich produziert wird, sind das 60.000 Kubikmeter Material – oder umgerechnet in Deckenflächen: 300.000 Quadratmeter. Schwer zu glauben, dass die Holzindustrie eine solche Masse mangels Alternative der Verbrennung zuführt; hat aber seinen Grund: Die Leichtigkeit im Umgang mit diesen Abfällen liegt im Geschäftsmodell. Der Kunde zahlt nicht für die anfallenden Nettoflächen, sondern für die Bruttofläche vor dem Zuschnitt. Er zahlt also auch die Ausschnitte, die meist dem Hersteller als Brennmaterial für die Trocknungsanlage überlassen werden. Wirtschaftlich ein cleverer Doppelverdienst. Für unsere Wälder und die CO₂-Bilanz weniger.

10% Abfälle durch Ausschnitte von Türen und Fenstern.
Bei Stora Enso hat sich Florian de Monte mit dieser Thematik in seiner Masterarbeit beschäftigt und das CLT-REX erfunden. Die Ausschnitte werden von ihm wie Speck in dünne Scheibchen geschnitten und als Querlage wieder ins BSP eingearbeitet. Die Idee erinnert an den Ursprung des BSP, der eine Antwort gab auf die Frage: Was machen wir mit der Seitenware? Reste-Verwertung ist der Holzbranche nichts Neues. REX ist aber ob des erhöhten Bedarfs an Kleber nur suboptimal. Eine sehr geniale Erfindung wartet allerdings schon zappelig auf der Ersatzbank und zeigt in Gastspielen, was sie Hervorragendes zu leisten vermag.

X-fix vom Mölltaler Sepp Schilcher.
Sepp ist kürzlich 76 Jahre alt geworden. Er zählt zu den Menschen, mit denen man nach einer ersten Begegnung für immer verbunden bleibt. Sepp Schilcher stammt aus einer Familie der Schmiede, den väterlichen Betrieb hat er im Alter von 24 Jahren übernommen und zur Schilcher Industrieanlagen und Gerätebau GmbH ausgebaut. Seine Anlagen für die Holzindustrie waren weltweit im Einsatz. U. a. erfand er die Mikrowellen-Technologie zur Aushärtung von Leimen. Damit wurde der zeitliche Aufwand von 72 Stunden auf nur zwölf Stunden reduziert und der Preis von Leimbindern um 50 Prozent gesenkt! Eine Game-Changer-Erfindung für die Holzindustrie! Dann aber kam ein Fehltritt, der Verlust des Unternehmens und für eine Zeitlang auch ein Verlust der Würde. Scheitern in Österreich ist eine große Last. Bis sein Sohn ein Holzhaus aus BSP baute und Sepp fassungslos registrierte, was für eine Unmenge an Schrauben und Metallteilen darin verbaut werden. Sein Erfindergeist wurde geweckt. Eine Holz-Holz Verbindung musste entwickelt werden.

Der X-fix entstand direkt aus dem traditionellen Schwalbenschwanz.
Nur ist das Verbindungsteil über einen Schrägschnitt zweigeteilt und als Buchen- oder Birkenfurnierschichtholz extrem belastbar und formstabil. Teil 1 fällt locker in die ausgefräste Form. Teil 2 wird mit dem Hammer kräftig eingeschlagen. Der Keil wirkt selbstspannend auf die Elemente. Dabei geht der X-fix nicht über die gesamte Deckenstärke. Die Untersicht bleibt unberührt in Sichtqualität. Die Deckenteile werden kraftschlüssig präzise verspannt. Spalten sind optisch nicht wahrnehmbar.

Grundsätzlich ist sich die Branche einig: Für Deckenelemente, egal ob BSP oder Holz-Beton- Verbunddecken ist der X-fix ein einzigartiges und allerbestes Verbindungsstück.

Bestätigung am Holzgeschossbau "Krokodil" in Winterthur
Vonseiten der Ausführung kommt die Bestätigung: Die Implenia Schweiz realisierte mit Hasslacher Norica Timber als Ausführungspartner und den Architekten ARGE Baumberger & Stegmeier/ KilgaPopp Architekten einen Holzgeschoßwohnbau in der Lokstadt in Winterthur. „Krokodil“ nennt sich der Holzskelettbau. 20.000 Quadratmeter BSP-Decken wurden mit zirka 10.000 eingeschlagenen X-fix-Verbindern ausgeführt. Die Zufriedenheit bei Implenia war groß: einfache, perfekte Ausführung, kein wirklicher Schulungsbedarf, kein Geräteverschleiß bei Schraubbohrern, keine Metallteile in der zerlegbaren Holzkonstruktion, kein Balkenzug für die Verspannung notwendig und 30 Prozent Zeiteinsparung beim Einbau der Deckenelemente. Ein Folgeauftrag kam sofort.

Experimentelle Projekte in ganz Europa
Auch auf die Ausführung des komplexeren Timberdomes mit der TU Kaiserslautern, einer Schalenkonstruktion mit einer Fläche von 100 Quadratmetern und einer Spannweite von zwölf Metern, schnell, schön und ohne Stützkonstruktion nach parametrischer Planung errichtet, folgte prompt ein Auftrag aus dem akademischen Umfeld: ein Wohnheim in Heidelberg für 176 Studierende und Auszubildende. Das Besondere ist hier: Die Studierenden haben dieses Projekt aus eigener Kraft ins Leben gerufen und finanziert. Die Bauherrschaft ist jung, der Blick in die Zukunft gerichtet. Von Beginn an waren sich die Studierenden einig: Es sollte ein Holzbau werden, möglichst stoffrein und reduziert. Der X-fix wurde eingeplant und im Sinne der Erfindung nun auch zur Einsparung jener zehn Prozent in den Wandflächen eingesetzt.

Das Einsparungspotenzial ausgeschöpft
Die Wände werden dafür in Einzelteile aufgelöst: Scheiben, Stürze und Parapete. Die Elemente dann in Folge wie Puzzleteile zusammengefügt. Für den Bau des Studierendenheims in Heidelberg geschieht das werkseitig in Bayern bei Züblin Timber. Möglich ist die Montage jedoch auch auf der Baustelle, was die Größe der Fertigteile erheblich reduziert und bei längeren Transporten, im alpinen Raum oder bei Kleingärten ein Vorteil sein kann.

Entweder man fördert die Veränderung, oder man stützt das Bestehende.

Beim BSP-Hersteller hält sich die Begeisterung über die Wand-Lösung aber in Grenzen. Ein Umbau der Produktionsstraße wäre nötig oder ein hoher manueller Aufwand. Man werde den Betrieb nicht in diese Richtung pushen. Es fehle ja auch jegliche Erfahrung und Zertifizierung. Mit der Fertigstellung des Projektes in Heidelberg ist dann ein Einzelfall schon mal realisiert, auch in Projekten in Belgien und der Schweiz werden die gestückelten Wandelemente jetzt erprobt. Eine Vermeidung dieser Ausschnitte reduziert eben nicht nur den Einsatz der Ressource Holz um bis zu zehn Prozent, sondern auch den Verkauf und das kostenlos vom Bauherrn überlassene Heizmaterial bei den Herstellerbetrieben. Ein großer Gewinnverlust, der die Motivation für diesen Anwendungsbereich des X-fix denkbar flach hält.

Es liegt daher maßgeblich in der Hand von Architekten und Bauherrschaft, diese Möglichkeit der Reduktion des Ressourcenverbrauchs und der CO₂-Emissionen einzufordern und als Standard im BSP-Bau zu definieren.

Dieser Artikel ist erschienen im FORUM, Architektur & Bauforum, Wirtschaftsverlag, 12/20


Fußnoten

1 www.vdz-online.de
2 stimmt. Abzüglich der Aufforstungen sind es 47.000 Quadratkilometer. Jedoch viel erschreckender ist die Gesamtbilanz der letzten 30 Jahre. Seit 1990 sind 1,78 Mio. Quadratkilometer Wald gerodet worden. Das entspricht in etwa den zusammengefassten Landflächen von Spanien, Frankreich, Schweiz, Italien und Deutschland. Quelle: sdw.de
3 Brandrodungen sind maßgeblich der Gewinnung von Ackerland und Plantagenflächen geschuldet, Brasilien, Indonesien ... Kahlschlag der europäischen Urwälder in Rumänien allerdings gehen tatsächlich zugunsten österreichischer Abnehmer für die Produktion von Billigspanplatten. Das ist inakzeptabel.

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