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Zirkularität? Spielend leicht!

LXSY Architekten, Berlin

EIN TEXT VON CHRISTINE MÜLLER

Wer auf der diesjährigen Architekturbiennale den Deutschen Pavillon besucht hat, konnte es ausprobieren, das originelle Brettspiel „Trivial Circuit“, das auf unterhaltsame Weise die Herausforderungen zirkulären Planens und Bauens vermittelt. Anhand eines tatsächlich umgesetzten Bauwerks werden spezielle Fragestellungen der Zirkularität in allen Bauphasen konkret erlebbar und nachvollziehbar. Auch ohne jegliche Erfahrung im Bereich Bauen und Architektur kann man dabei seine Kreativität und sein praktisches Denken erproben. Erdacht hat das Spiel das Berliner Büro LXSY Architekten, das auch im wahren Leben auf zirkuläre und partizipative Planungs- und Bauprozesse setzt.

2015 haben Kim Le Roux und Margit Sichrovsky ihr gemeinsames Büro LXSY Architekten in Berlin gegründet, das sie mittlerweile mit acht Mitarbeiterinnen erfolgreich positionieren.

Was die beiden eint, ist ihr Anliegen, über das bloße Architekturmachen hinaus, einen positiven sozialen, kulturellen und ökologischen Impact zu generieren.


„Wir sind ja ein relativ junges Büro“, sagt Margit Sichrovsky, „das mit Office Interior, mit der Gestaltung von Coworking Spaces, begonnen hat. Unser Augenmerk lag dabei immer auf Partizipation und Nutzerbeteiligung, was in der Start-Up-Szene eigentlich bereits gelebt wird. Bei unserem wichtigsten Projekt bisher, dem Impact Hub Berlin at CRCLR-House haben wir den Schritt vom Interior hin zum zirkulären Bauen gemacht. Es ist zwar nur ein Innenausbau, aber mit diesem haben wir dennoch enormes Aufsehen erregt“. Impact Hub Berlin at CRCLR-House widerspiegelt LKSY’s fast selbstverständliches Engagement im Einsatz von Materialien, die einem zirkulären Bauansatz zuzurechnen sind.

„Das Projekt Impact Hub Berlin at CRCLR-House hat uns vor die Entscheidung gestellt, mit Materialien zu planen, die ihrem zweiten Leben entgegengehen und Aspekte wie Sozialverträglichkeit, Zugänglichkeit, Vielfalt, Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung und Abfallvermeidung mitzudenken."

"Und irgendwie war es für uns auch common sense, es genau so zu machen“, erzählt Sichrovsky.

Das Projekt wurde zu LXSY‘s Aushängeschild für zirkuläres Bauen. Eingesetzt wurden unterschiedlichste Materialien nach den Gesichtspunkten nachwachsender und wiederverwendbarer Rohstoffe. So sorgt etwa eine Hanfwand, die kompostierbar ist, für gutes Raumklima und Schallschutz. Unterschiedliche Holzplattenwerkstoffe wurden zu einem Wandsystem zusammengebaut. Der Großteil der eingesetzten Materialien sind recycelt, sie stammen aus Abrissbaustellen, Messen, Museen, sind Reststücke von Tischlereien oder aus Lagerbeständen von Firmen.

Selbst Kabeltrassen, Sanitäreinrichtung, Lüftungsrohre oder Heizkörper sind aus zweiter Hand.

Die große Resonanz hat das Projekt nicht zuletzt der Konsequenz zu verdanken, mit der es umgesetzt wurde.

Noch gibt es in der Praxis erstmal Zurückhaltung. So kommt es auch vor, dass Bauherr:innen es sich doch anders überlegen und herkömmliche Vorgangsweisen vorziehen – das  muss man akzeptieren – oder Überzeugungsarbeit leisten. Denn im ressourcenschonenden, zirkulären Planen und Bauen sehen LXSY die Schlüsselrolle für einen nachhaltigen Wandel.

Margit Sichrovsky und Kim Le Roux wollen weiterhin Reuse-Material so in ihre Projekte einbringen, dass der Rückbau zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.
Letztlich sehen sie das zirkuläre Bauen als gesamtgesellschaftliches Projekt. Es gelte wegzukommen von dieser Take-Make Waste-Wirtschaft, in der die Bauindustrie und der Gebäudesektor weltweit für einen sehr relevanten Anteil am CO2 Ausstoß verantwortlich ist.

Das zirkuläre Bauen ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt.
Bauherr:innen zu überzeugen gehört dabei zur notwendigen strukturellen Vorgangsweise.


Planungs-, Bau- und Partizipationsprozesse müssen neu gedacht werden. Das funktioniere nur iterativ und erfordert, unermüdlich immer wieder neue Aspekte miteinzubringen.

Und genau das macht die Arbeit der beiden Architektinnen zwar anstrengend aber so spannend und interessant. Beide sehen darin aber letztlich auch die einzige Möglichkeit, mit dieser ganzen Komplexität, die ein zirkuläres Vorgehen mit sich bringt, umzugehen. Gute Architektur definieren Sichrovsky und Le Roux übrigens, vor allem auch unter der Berücksichtigung aktueller Dringlichkeiten, als untrennbar mit dem Begriff der Baukultur verwoben. Der Gebäudesektor und die Architektur haben eine immense Relevanz in sozialen und ökologischen Bereichen der Nachhaltigkeit. Baukultur heißt, so Sichrovsky weiter, möglichst viele Personen in den Planungs- und Bauprozess miteinzubeziehen, Bauherr:innen, zukünftige Nutzer:innen sowie Fachplaner:innen und ausführende Firmen – stets unter Beachtung des zirkulären Bauens, dem sich LXSY vermehrt widmen wollen, auf der Suche nach neuen Arten von Zusammenarbeit anhand verschlankter Prozesse.

Mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung arbeiten sie zurzeit an einem Forschungsprojekt über die Begriffe Bauwende und Baukultur;

Nur wenn man nicht auf die Baukultur vergisst, ist die Bauwende zu schaffen.

Dabei ist auch eine neue Art von Ästhetik und ein neues Verständnis für den Umgang mit dem Bestand nötiger denn je. Schon allein aus ökologischer Sicht wegen der Materialien, die bereits im Kreislauf sind, gilt es, nicht nur die denkmalgeschützte Bausubstanz zu erhalten, sondern jene, die weniger hohe ästhetische Maßstäbe erfüllt, weiter zu bauen. Genau diesen Bestand vermehrt in eine Zukunft zu bringen ist LXSY’s Anliegen. Allerdings ist man beim Großteil der Abrissbauten aus den Siebziger oder Achtzigerjahren mit Verbundwerkstoffen und Schadstoffen konfrontiert, die eine weitere Verwertung torpedieren. Eine Herausforderung, um schwer trennbare Materialien in Zukunft zu vermeiden, wird nur lösbar sein, wenn Hersteller mit ins Boot geholt werden, um etwa einzelne Bauteile wie Fenster oder Türen zurückzunehmen und rezertifiziert wieder in den Sekundärmarkt einzubringen.

Viele Ambitionen gibt es hier bereits, allein ein Durchbruch fehlt.

Als Architekt:innen sehen LXSY ihre Rolle darin, Architektur neu zu denken und gleichzeitig für eine gerechte, lebenswerte Gesellschaft einzutreten und verändernd einzugreifen.

Aber haben Architekt:innen im Rahmen eines Bauprozesses überhaupt noch genügend Entscheidungsgewalt, um diese Änderungen anzustoßen? Sind sie zu Erfüllungsgehilfen der möglichst gewinnorientierten Immobilienwirtschaft mutiert?  Margit Sichrovsky sieht dezidiert ganz viele Möglichkeiten. Ein Wunsch wäre, als Architektin bereits zum Zeitpunkt der Projektentwicklung in die Planungsprozesse einsteigen zu können – mit ein Grund für ihre Tätigkeit im Arbeitskreis nachhaltiges Planen und Bauen der Architektenkammer Berlin. Ihr ist es wichtig politisch aktiv zu sein, um die Regeln mitbestimmen zu können. Natürlich gäbe es noch Bauherr:innen, die  Architekt:innen als reine Dienstleister verstehen – das zu akzeptieren wäre für Sichrovsky eine Kapitulation des Berufsstandes.

„Das Selbstverständnis unserer Tätigkeit ist gar nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Neben der Baukultur als Fixpunkt gibt es eine ganze Reihe nachhaltiger Aspekte auch auf der sozialen Ebene, die wir in unserer Planung miteinzubinden versuchen."

"Viel darüber nachgedacht haben wir aber nicht – wir machen es einfach."

Zirkularität bedeutet einerseits Reuse-Material einzubringen, andererseits aber auch das Bestreben, alles, egal ob neu oder alt, so einzusetzen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt rückgebaut werden kann. Das versuchen LXSY in ihren Projekten konsequent umzusetzen.


Kim Le Roux von LXSY ARCHITEKTEN, Berlin wird in unserem Nachhaltigkeitsforum am 21.10. um 10:00 vormittags mit einem Vortrag Einblick geben in ihre Arbeit. In einem anschließenden Arbeitsgespräch können Besucher:innen in einen ausgedehnten Dialog mit ihr treten und Inputs der Österreichischen Reuse und Abriss Spezialist:innen mitnehmen.


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