Exkursion Lunz am See
Atelier Hans Kupelwieser
Decken sollen im Querschnitt nicht mehr als Rechteck gedacht oder geplant werden.
Christoph Holzinger
01 | Die Seebühne
Hans Kupelwieser konnte 2003 einen künstlerischen Wettbewerb der „Sommerspiele Lunz“ für sich entscheiden. Werkraum Wien waren verantwortlich für die Tragwerksplanung. Konzipiert wurde eine multifunktionale Anlage, deren Tribüne sich tagsüber mit Liegestufen, Ponton und Sprungturm den Badegästen anbietet, abends als Seebühne dem Veranstaltungsprogramm der Gemeinde Lunz dient. Dabei decken die Liegestufen die eigentliche Tribüne ab und werden für den Bühnenbetrieb als schützendes Dach hochgezogen.
Hervorzuheben ist die Nutzung des Lunzer Seewassers für die Öffnungsvorrichtung des Daches. Ein riesiger Wassertank dient als Zug-Gewicht der Anlage. Wird Wasser eingefüllt, öffnet sich das Dach. Durch Ablassen des Wassers über den Sprungturm zurück in den See, schließt sich die Bühne wieder. Die Idee, den Seilzug mit Wasser zu bedienen kam von Bürgermeister Josef Schachner. Die Bühne wird heute 2–3-mal pro Woche bespielt. Sie wurde in den letzten 20 Jahren wartungsfrei betrieben.
02 | Schloss Seehof
Geschichte
Die Geschichte des Seehofs geht zurück in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Namentlich ist er 1490 erstmals erwähnt. Carl Kupelwieser - der Urgroßvater von Hans Kupelwieser - erwarb den Hof 1897 und ließ ihn von Architekt Richard Frauenfeld im neobarocken Stil umbauen.
Zu- und Umbauten
Uns interessieren die jüngsten Zu- und Umbauten am linken Flügel des Schlosses. Ehemalige Stallungen hatten ihre Funktion verloren, der hölzerne Dachstuhl sollte getauscht werden. Für den Umbau zog Hans Kupelwieser seinen Freund und Kollegen an der TU Graz, Prof. Stefan Peters hinzu. Er schlug eine filigrane Stahlkonstruktion vor, befreite so das Obergeschoss von den raumdurchdringenden Holzbalken und schaffte einen elementaren, großzügigen Raumgewinn.
3D Druck
Nach dieser positiven Zusammenarbeit sollte ein zusätzlicher Raum als Atelier gebaut werden. Stefan Peters arbeitete zu dieser Zeit am Forschungsprojekt COEBRO. Untersucht wurde der Einsatz von 3D gedruckten Verdrängungskörpern in Decken zur Gewichtsreduktion. Er schlug Hans Kupelwieser vor, eine solche Decke prototypisch zu realisieren. Die BAUMIT erklärte sich als Partner für die Umsetzung.
So entstand eine allererste gewichtsreduzierte Decke mit 3D gedruckten Verdrängungskörpern aus Beton.
Realisierung
Christoph Holzinger (TU Graz) erzählt, wie er mit Kollegen aus dem Institut selbst über drei Wochen hindurch im Schloss gewohnt hat und eigenhändig die im Labor in Graz gedruckten Betonkörper auf der Schalung platziert und die Bewehrung eingebracht hat. Die gewonnen Erfahrungen konnten in Folgeprojekten in Deutschland und Vorarlberg einfließen und die Prozessabläufe vereinfachen. Sorgfalt galt vor allem der Robustheit der 3D Körper, die Transport und Baustelle unbeschadet überstehen sollten und vor allem auch für Arbeiter nicht durch Bruch zur Gefahr werden durften.
Ergebnis
Im Resultat wurde eine deutliche Gewichtsreduktion von bis zu 40% bestätigt und die einfache bauliche Machbarkeit über die Umsetzung mit einem lokal ansässigen Baumeister bestätigt. Dieses Ziel hat Stefan Peters in seiner Forschungsarbeit im Fokus: Die Hürde für Neues so niedrig zu halten, dass die Umsetzbarkeit auf jeder Baustelle möglich ist.
03 | Die Decke
130 Verdrängungskörper in einer Deckenfläche von ca. 100 m2. Jeder Körper hat eine individuelle Form. Die Gestaltung der Decke folgt einem Entwurf von Hans Kupelwieser.
Die Rippen der Kassettendecke verlaufen nicht parallel oder orthogonal zueinander. Sie fluchten in zwei Punkten und erwecken den Eindruck einer perspektivischen Verzerrung, die das Deckenfeld über dem Raum scheinbar zum Kippen bringt. Sie ist per se ein Kunstwerk, jedoch auch ein wichtiger baulicher Prototyp für ein neues Verständnis in der Planung und Umsetzung von Decken allgemein.
Es geht darum, Masse und damit CO2 Emissionen zu reduzieren. Diese Einsparungen ziehen sich rechnerisch bis in die Fundamente weiter. 40% weniger Masse, 35% weniger CO2 gegenüber einer konventionellen Ausführung belegen die Berechnungen der Decke. Dazu gestalterische Möglichkeiten sind frei, der Roboter druckt, was programmiert wird.
04 | Baumit Labor
Zum Abschluss der Exkursion besuchten wir die Baumit in Wopfing. Im Labor wurden uns die neuesten Versionen der Verdrängungskörper mit integrierter Positionsnummer, Live Drucke mit und ohne Seilbewehrung und der Demonstrationspavillion mit 3D gedruckten Stützen, Wand- und Deckenelementen. Im Schulungszentrum hat Christoph Holzinger eine Miniatur-Vorlesung gehalten, die schließlich auch eine Erkenntnis hervorgebracht hat.
05 | Erkenntnis
Die Exkursion war ein überaus schönes Ausflugserlebnis mit ganz speziellen Insights in Lunz und Wopfing und großartigem Essen in der Schlosstaverne. Doch sie hat auch eine Erkenntnis hervor gebracht, die es mitzunehmen gilt:
Franz Sam stellte am Ende des Tages die kluge Frage:
Was sollte aus diesen Erfahrungen und dieser Forschungsarbeit als Erkenntnis in eine Norm einfließen?
Die Antwort von Christoph Holzinger:
Decken sollen im Querschnitt nicht mehr als Rechteck gedacht oder geplant werden.
Und Holzinger betont, dass diese Erkenntnis sich nicht auf den Betonbau beschränkt. In den Decken liegt die größte CO2-Last, die größte Masse. Ganz ungeachtet des Materials, gilt es hier einzusparen.